Carsten Reichert

Are you ready to slam? Bookslam im Klassenzimmer!

Eines der originären Ziele des Deutschunterrichts ist es, Leseförderung zu betreiben. Die Wege und Mittel dorthin sind vielfältig – stehen oft jedoch bei Schülerinnen und Schülern nicht all zu hoch im Kurs. Die Lektüre, Kanon-Klassiker wie Jugendbücher, wird bis ins letzte Segment zerpflückt, Buchvorstellungen ohne unterrichtsdidaktische Aufarbeitungen haben oft etwas Langatmiges (auch für Lehrer). Inwiefern solche „klassischen“ Methoden die Lesemotivation steigern, bleibt offen. Abhilfe verspricht das Format „Bookslam“, das von Stephanie Jentgens an der Akademie Remscheid entwickelt wurde. Ein Selbstversuch.

Was ist ein Bookslam?

Ein Bookslam (to slam = zuknallen) ist ein Bücher-Wettstreit. Bücher werden dabei auf eine kreative Art und Weise einem Publikum, im Normalfall der Klasse bzw. dem Kurs, vorgestellt. Dazu erhält jeder Beitrag eine bestimmte Slam-Zeit, die Zuschauer wachen über die Zeit und geben – ähnlich wie beim Eiskunstlauf mit Zahlen – eine Bewertung am Ende jedes Beitrags ab. Am Ende des Slams werden die Punkte ausgewertet und die Sieger im Wettstreit gekürt. Die Auswahl der Bücher kann frei durch die Jugendlichen erfolgen oder aber aus einem bereitsgestellten Repertoire erfolgen. Darüber hinaus sind auch thematische Bookslams, also z.B. zum Thema Sport oder einer Epoche denkbar.

„Kreative Auseinandersetzung“ bedeutet, dass keine Vorgaben gemacht werden, wie das Buch vorgestellt wird: Vorlesen, frei erzählen, Rollenspiel, Interview zu einem Buch, Werbespot, Antiwerbung, Quiz, Rap, Film etc. Damit entsteht eine Aktionsform, die sich durch Geschwindigkeit, Spannung und Effekt stützt. Die Kunst besteht auch in der Reduktion.

Die Durchführung

Ich habe mich für die Durchführung eines thematisch freien Bookslams in meiner 10. Klasse entschieden. An unserer Schule wird in dieser Jahrgangsstufe bereits in Kursen unterrichtet, so dass die Schüler stets in anderen Zusammensetzungen beisammen sind. Ein Bookslam bietet hier also auch die Möglichkeit, dass sich die Kursteilnehmer bzw. ihre Leseinteressen besser kennenlernen. Vor den Weihnachtsferien hatten die Schüler die Gelegenheit, sich Bücher auszusuchen. Über die Ferien hinweg hatten sie ihre Auswahl lediglich zu lesen. In der ersten Unterrichtswoche habe ich den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit gegeben, ihre Ideen hinsichtlich des Slams umzusetzen. Dabei muss man „organisatorisch loslassen“ können, auch weil Schüler z.B. zum Filmen oder Aufnehmen von Tondokumenten den Klassenraum verlassen müssen. Nach der einwöchigen Vorbereitungszeit begann der eigentlich Bookslam und die Bücher wurden per Losverfahren vorgestellt, um eine gewisse Spannung aufzubauen.

Von der klassischen Buchvorstellung hin zur Foto-Story

Von der Bandbreite der Beiträge war ich sehr überrascht: Natürlich gab es klassische Buchvorstellungen, hinzu kamen aber Hörbuch-Vertonungen, Trailer zu bisher unverfilmten Romanen, szenisches Spiel (z.B. die Auswahl eines Bestsellers in einer Buchhandlung), Foto-Storys, Vergleiche von Buch und Film etc. Am Ende der Beiträge konnten die Zuschauer noch Nachfragen stellen, ehe dann die Bewertung vorgenommen wurde. Erstaunlich war, dass die Beiträge durch die Bank ähnliche Bewertungen erhalten haben – ganz unbewusst haben die Kursteilnehmer unabhängig voneinander wohl Kritierien der Beurteilung entwickelt und angewendet. Die Sieger konnten sich am Ende über Bücher und einige Süßigkeiten freuen.

Oh, bitte reflektiere mich!

Neue Methoden lasse ich von meinen Schülerinnen und Schülern grundsätzlich reflektieren. Dies hilft mir dabei, Formate wie dieses zu verändern oder ggf. ganz aus meinem Methodenrepertoire zu werfen. Dazu sollte ein kurzer Text verfasst werden, wie die Kursteilnehmer mit den einzelnen Phasen des Bookslams zurechtgekommen sind (Auswahl des Buchs, Vorbereitung des eigenen Slams, Eindruck von den anderen Beiträgen, Auswirkungen auf die Lesemotivation). Durch die Bank war man von der Möglichkeit begeistert, selbst kreativ zu werden. Darin wurden aber Schwierigkeiten gesehen: Zeichnet sich der Deutschunterricht in Bezug auf Literatur durch klare Anforderungen (Figurencharakteristik, Interpretation, Zusammenfassungen etc.) aus, musste man sich hier auch erst einmal für eine bestimmte „Aufgabe“ entscheiden – und das ohne Zutun des Lehrers. Das ist nach Aussage der Teilnehmer nicht ganz leicht gewesen, habe das Arbeiten jedoch interessanter (und zeitaufwändiger) gemacht. Mehrheitlich sind die Slamer auch der Meinung, dass sich der komplette Kurs viel Mühe bei der Umsetzung gegeben hat, nur wenige Beiträge wurden als zu unkreativ oder wenig ambitioniert klassifiziert. Insgesamt haben alle beobachtet, dass die Unterrichsatmosphäre dadurch „lockerer“ wurde – und es durchaus Spaß gemacht hat, sich mit den Büchern auseinanderzusetzen.

Ein Wermutstropfen bleibt jedoch: Fast keiner der Schülerinnen und Schüler gab zu Protokoll, dass der Bookslam Einfluss auf die eigene Lesemotivation gehabt habe – weder positiv noch negativ.

Ein abschließendes Fazit

Die Meinungen der Kursteilnehmer haben gezeigt: Der Bookslam ist ein interessantes Format für den Deutschunterricht. Dennoch muss im Unterricht schon früher damit begonnen werden, Raum zur kreativen Entfaltung der Schülerinnen und Schüler zu geben. Dann nämlich kann m.E. Auch erreicht werden, damit die Lesemotivation zu steigern. Einem singulären Ereignis wie dem Bookslam kann das bei einmaliger Durchführung nicht gelingen.

Kritiker solcher Methoden werden wahrscheinlich ins Feld führen, dass im Alltagsgeschäft eine solche Unterrichtssequenz zu zeitintensiv sei und angesichts gedrängter Lehrpläne und Curricula dazu schlichtweg die Zeit fehle. Natürlich muss man für ein derartiges Unternehmen Zeit im Sequenzplan schaffen. Dies kann aber auch dadurch gelingen, dass man etwaig bestehende Leselisten oder zu bearbeitende Themen einfließen lässt. Denn: Ein Bookslam ist auch zum „Bürgerlichen Trauerspiel“ oder „fantastischer Literatur“ möglich – entsprechende Texte gibt es genug und Jugendliche sind auch hierzu in der Lage, kreative Beiträge zu gestalten. Einfach mal ausprobieren…

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